Das Auto stirbt

Die sprachliche Präzision stirbt langsam aus – auch bei Journalisten. Vor langer Zeit wurde schon aus der Alternative (der Wahl zwischen zwei Möglichkeiten) ein generelles Synonym für eine Möglichkeit. Jetzt begleiten wir das Wort „Auto“ auf seinem langen Weg ins Grab.

„Autos und Lkws…“ So leitete Sabine Heinrich, Moderatorin bei WDR 2, einen Beitrag über die Fülle auf Autobahn-Parkplätzen ein. Bitte, Frau Heinrich, was ist ein Auto? Die Kurzform von Automobil,  einem motorgetriebenen, mehrspurigen Fahrzeug zur Beförderung von Personen oder Lasten. Es gibt also keinen Unterschied zwischen Auto und Lkw. Warum sagt sie nicht einfach Pkws und Lkws?

Der Wandel hat sich in der Umgangssprache vollzogen. Es ist betrüblich, dass Journalisten als Multiplikatoren sich dem jetzt anschließen…
(WDR 2, 7.3.2017

Recherchieren sollen doch die Leser

Es gibt unsägliche Journalisten, die Freude daran haben, ihre eigene Unkenntnis zu verbreiten. So schreibt die „Welt“: „Die US-Armee hat nach dem jüngsten nordkoreanischen Raketentest mit der Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Südkorea begonnen. Der jüngste nordkoreanische Raketentest sei ein Beweis dafür, dass es nötig sei, Thaad-Systeme nach Südkorea zu bringen…“

Eines habe ich jetzt begriffen, es gab jüngst einen Raketentest. Aber was ich nicht weiß, ist, was ein Thaad-System ist. Der Autor weiß es anscheinend auch nicht, sonst hätte er es seinen Lesern ja mitgeteilt. Also stürzen sich die Welt-Leser in Wikipedia, um herauszufinden, wovon die Zeitung eigentlich spricht? Thaad ist ein Anti-Raketen-System mit einer Reichweite von 200 km. Die angreifende Rakete wird getroffen und rein durch den Zusammenprall zerstört.

Ich hoffe, das hilft der Redaktion.
(Welt, 7.3.2017)

Darunter = alles?

Donald Trump erlässt ein neues Dekret gegen Einwanderer. Und was sagt die Reporterin im Gespräch? Sechs Länder seien betroffen, „darunter Iran, Somalia, Sudan, Jemen, Syrien und Libyen“. Sie zählt also alle auf. Der Standard-Ausdruck dafür heißt „und zwar“ und nicht „darunter“. Journalisten beherrschen demnach nicht einmal mehr die einfachsten Ausdrücke der deutschen Sprache. Merke: Sprachliche Schlamperei fängt klein an.
(WDR 2, 7.3.2017)

Altersfrage

Die Moderatorin über einen Sänger: „Er ist ja erst 20 Jahre jung.“ Jung? Früher war das ein Scherz beim 80. Geburtstag, heute breitet sich das falsche Deutsch aus wie eine Epidemie und befällt vornehmlich Sportreporter. Was wollen uns die Sprecher damit sagen? A) Den kann man nicht ernst nehmen, der ist noch nicht trocken hinter den Ohren. B) Ich selbst bin schon steinalt. C) Die Hörer sind alle vertrottelt und begreifen nicht, dass jemand mit 20 Jahren noch jung ist.

(RSH, Radio Schleswig-Holstein, 10.1.2017)

Klare Ansage

„Gülen-Anhänger sind Terroristen.“ So eine klare Aussage hört man von Reportern eher selten im deutschen Radio. Aber im Gespräch mit der Moderatorin von WDR 2 über einen Anschlag in der Türkei sagte der Reporter sinngemäß: „Erdogan hat mit Schuld. Jahrelang hat er zugelassen, dass der Staat von den Leuten unterwandert wird, die er jetzt verfolgt.“ „Unterwandert“? Das bedeutet „nach und nach unmerklich in etwas eindringen, um es zu zersetzen“ (Duden). Meint er das wirklich oder ist sein Sprachzentrum sinnentleert umhergewandert?

PS: Falls ja – der Sender ist sich zu fein, Fehler zu korrigieren.

(WDR 2, 9.1.2017)

Armes England

„Im Stadtteil Westminster, das ist da, wo das Parlament liegt…“ Aber hallo! Wie soll das mit der britischen Wirtschaftskraft erst nach dem Brexit werden, wenn die Politiker jetzt im Liegen tagen müssen? Mussten die wirklich schon die Stühle des Plenarsaals verkaufen? Liebe Kollegin, neinten Sie vielleicht „wo das Parlament tagt“? Den Unterschied zwischen Menschen und einem Saal sollte man eigentlich kennen…

(WDR 2, 28.12.2016, Bericht über Video-Überwachung in London)

Schwer beeindruckend

Journalisten lieben es, den Fachmann raushängen zu lassen und mit ungewöhnlichen Maßangaben um sich zu werfen. „In Köln hat man eine 10-Zentner-Bombe gefunden.“ Das sendete WDR 2 und schrieb der Stern. Meine Güte! Das ist ja ein dickes Ding!

Aber mal ehrlich, wie dick ist es denn? Wer außer Bauern weiß heute noch, wieviel Kilo ein Zentner hat? Na, wieviel? Genau, nämlich 50 kg. Die Bombe wiegt also 500 Kilo. Hätte man natürlich auch sagen und schreiben können, wenn man es gewusst hätte. (Übrigens, in Österreich und der Schweiz hat der Zentner laut Wikipedia 100 Kilo.)

Ich sehe diese Journalisten schon beim Fleischer stehen: „Ich hätte gern 0,002 Zentner Leberkäse.“ „Darf`s auch etwas mehr sein?“ Ja, Kollegen. Mehr Nachdenken.

(WDR 2, Stern, 12.12.2016)

Sportfreunde haben eine Scheibe

Sprachliche Dummheit und die Unkenntnis der Wortbedeutung finden sich natürlich auch in Songtexten. Zum Beispiel, wenn die Sportfreunde Stiller in ihrem Titel „Applaus, Applaus“ singen: „Ist meine Erde eine Scheibe, machst Du sie wieder rund.“ Prima, jetzt haben wir eine runde Scheibe. Da dreht sich sogar Westgotenkönig Sisebut († Februar 621) im Grabe um. Denn schon der wusste, dass die Erde eine Kugel ist und keine eckige oder runde Scheibe.

Ein Dummkopf stürzt

Laut N24 war der Attentäter, der die Universität Ohio überfiel, ein ziemlicher Dummkopf. „Der 18-Jährige war zunächst in eine Gruppe von Studenten gefahren, stürzte sich dann aus dem Auto und stach wahllos auf die Menschen ein.“ Wie blöd muss man denn sein, um sich aus einem stehen Auto zu stürzen? Lag er da dann platt auf dem Boden nach dem wahnsinnigen Sturz von 30 Zentimetern? Lieber Kollege, Sie meinten wohl „er stürzte aus dem Auto“, rannte also hastig auf die Studenten zu.

(N24, Nachrichten, 30.11.2016)